Was mir gut tut:
Mein Garten und ich
Seit etwas mehr als einem Jahr haben wir einen Garten. Rechnet man die Sanierungszeit vor dem Umzug dazu sind es fast zwei. Aber das beschreibt nicht einmal ansatzweise, welche Bedeutung dieser Garten für mich hat. Mein erster eigener Garten. Ein wilder Garten, der einige Jahre fröhlich wuchern durfte, bei dem die ursprünglich angelegten Beete und Wege nach dem Niederkämpfen der Brennesselhecken wieder sichtbar werden. Unser Garten ist ca 300qm groß – reine Gartenfläche, schön kompakt rechtwinkelig. Genug Platz für das obligatorische, riesige Trampolin. Es gibt drei verwachsene Obstbäumchen, eine Feige, leckere Weintrauben und Kiwis an der Hauswand.
Als wir mit der Sanierung begonnen haben, waren die Trauben und die Feigen gerade reif, ein paar symbolische Äpfel auch. „Das Haus ernährt uns“ dachte ich und fühlte mich sofort willkommen. Mittlerweile liebe ich den Garten vor allem wegen seinen Bewohnern. In einem quietschbunten Vogelhaus, das nur als Deko für die Kinder gedacht war, nisten Kohlmeisen. Dies Jahr schon das zweite Mal. Wenn ich unter dem Apfelbaum sitze, höre ich das leise Fiepen der frisch geschlüpften Kücken. Und seit der ersten Brut weiß ich, dass Kohlmeisen nur 14 Tage brüten und die Jungen 20 Tage nach dem Schlüpfen bereits das Nest verlassen. In knapp fünf Wochen entsteht ein so komplexes Lebewesen! Fünf Wochen, dann ist das hektische hin und her der Eltern vorbei. Beim ersten Mal hatte mich das plötzliche Ausbleiben der Eltern erschreckt. Ich hatte befürchtet, eine Katze hätte die Eltern erwischt und die Jungen wären verhungert. Aber das Nest war leer und jetzt sind die Eltern wieder da mit der zweiten Brut. Kohlmeisen bleiben ihren Brutplätzen treu.
Von unseren Rotschwänzchen hatten wir mehr – sie sind wochenlang mit den flügge gewordenen Jungvögeln durch den Hof gezogen, haben ihre Kinder weiter gefüttert und ein Riesengeschrei dabei veranstaltet. In den vielen Rissen unserer Scheune verstecken sich Mauereidechsen. Zwei Große, eine Kleine und eine mit Stummelschwanz. Wann immer ich unsere Mitbewohner sehe, freue ich mich. Oft streife ich nur deshalb durch den Garten um nach den Tieren zu schauen. Ich umkreise die Beete, schaue beim Apfelbaum vorbei, inspiziere Mauerritzen und Steinhaufen. Nach und nach lerne ich ihre Verstecke und Zeiten kennen. Die Schwalben über dem frisch gemähten Fußballplatz machen meinen Sommer, abends singt eine Amsel auf der Antenne des Nachbarhauses und mit der Dämmerung kommen Fledermäuse. Unsere Mitbewohner brauchen mich nicht. Ich hoffe, sie wissen die aufgestellten Wasserschalen zu schätzen, aber sie waren schon vor uns da, haben die älteren Rechte. Hin und wieder teilen sie den Garten mit mir. In ihrer Welt sind all die Dinge, die mich sonst so beschäftigen, unwichtig. Die Amsel singt – ob ich meine to-do Liste etwas verkleinern konnte oder nicht. Der Garten erdet mich, weil er mich nicht braucht. Weil ich hier nichts muss, nur demütig staunen.